Form Follows Function – Der Leser will Lesbarkeit!

Wie so oft im (Medien)Leben sind die gehaltvollsten Erkenntnisse die scheinbar einfachsten – und keineswegs revolutionär. Diese zu beherzigen fällt offenbar dennoch schwer. Nun hat sich herausgestellt: Leser digitaler Magazine wollen vor allem eines – gute Lesbarkeit.
Na, Heureka! Wer hätte das gedacht? Doch wahr ist auch: danach wurde lange gar nicht gefragt.

Zahlreiche Studien, meist wenige Jahre alt, wollten herausfinden, was sich der Leser der digitalen Zukunft wünscht. Was kam dabei heraus: das digitale Magazin soll daherkommen wie, nun ja, ein Print-Magazin. Außerdem wird Lesen von Analog-Medien ohnehin als viel angenehmer eingeschätzt, als auf irgendwelchen Screens. Grob subsumiert wurden nun auf diesen Outcomes basierend Produkte entwickelt (oder eher imitiert), die nie so gut sein konnten, wie deren unter anderen Voraussetzungen entwickelte Ursprungsidee. Dafür hat man versucht, sie mit allerlei, oft unnützem, Multimedia-Trallala aufzupeppen, in ihrer Struktur aber belassen.
Was muss als Urteil des Nutzers dabei herauskommen: „Das Original ist mir lieber“. Hm, Überraschung ist das eigentlich keine.

Hätte man vor einem Jahrzehnt einen begeisterten Nokia-Nutzer gefragt, wie sein ideales Telefon aussieht – er hätte bestimmt kein iPhone beschrieben. Stattdessen vl. ein Nokia mit größerem Display, zusätzlichen Tasten wofür auch immer, der Möglichkeit mehr SMS zu speichern und länger anhaltendem Akku. So etwas wie ein Smartphone und alle damit verbundenen Vorteile waren für den Nutzer herkömmlicher Lösungen schlicht (noch) nicht denkbar.

Think outside the Box!

Das Prinzip dahinter ist bei der Frage nach dem idealen digitalen Medium ähnlich. Wenn ich gelernte Print-Leser danach frage, wie ihre optimale Leseerfahrung aussehen sollte, referenzieren sie klarerweise auf Bekanntes. Das wird als Nonplusultra in Sachen Lesbarkeit wahrgenommen. Wenn man fragt, wie das ideale digitale Produkt für sie aussieht: mindestens so gut wie print und davon ein bisschen mehr, damit sich der Wechsel auszahlt. Das ist allerdings eine Sackgasse, in der man vl. anfangs noch ein paar Schritte vorankommt.

Eine Antwort, die man auf die Frage danach, was der Kunde will, kaum bekommt, um die es aber tatsächlich geht, ist: etwas anderes! Indentifiziere Probleme uns löse sie mit den zur Verfügung stehenden Mitteln! Von letzteren bietet das digitale Zeitalter genug. Alte Konventionen gut und schön, aber wie sollen Befragte denn Vorteile und diese neuen Möglichkeiten einschätzen und in ihr Urteil einfließen lassen, wenn sie darüber nicht Bescheid wissen? „It is difficult to create good questions that produce usable data.“

Lesbarkeit: Ein digitales Medium muss als absolute Grundbedingung angenehm zu lesen sein

„Readers generally said they preferred print, then eReaders and tablets, then smartphones, followed by desktop magazines.“ Dieses Ergebnis überrascht nicht und dennoch, wie sieht die Realität tatsächlich aus? Danach gefragt, werden viele nach wie vor antworten, dass sie am liebsten im klassischen Buch oder Print-Magazin lesen. Doch schon ein kleiner Selbstversuch zeigt: konsumiert man den überwiegenden Teil an Text im Tagesverlauf nicht schon längst auf Smartphone, Notebook oder Tablet? Bei mir ist das definitiv der Fall. In die Wahrnehmung ist das offenbar noch nicht durchgesickert.

Wer nach den bisher besten Wegen fragt, wird schwer neue entdecken.

Ein Rat an jene, die neue (digitale) Medienprodukte entwickeln möchten: Fragt nicht eure potenziellen Kunden, denn die haben leider keine Ahnung (siehe iPhone). Das müsst ihr schon selbst herausfinden (oder mich fragen ;). Ich denke, aufmerksame Beobachtung und Analyse sind die besseren Herangehensweisen, als das Fragen: was hätten’S denn gern?

Und dabei nicht vergessen: It’s the readability, stupid!

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