KI nimmt uns die Arbeit weg – na wann denn nu‘?!

Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin der einzige, der sich bei den hysterischen „Warnungen“, die KI nähme uns die Arbeit weg, denkt: Na, wann denn nun endlich?! Ich warte. …arbeitend.

Denn jene Arbeit, die von der KI einfach übernommen werden kann, ist es nun wirklich nicht länger wert, von Menschen erledigt oder gar verteidigt zu werden. Das ist doch dümmlich. Doch irgendwie ist Arbeit in unserer Gesellschaft zu einer Art Selbstzweck, zum politischen Zentrum der Identitätsstiftung verkommen. Dabei ist sie seit jeher mehr Mittel, denn Zweck. Da sollte man nicht überhöhen.

Das Ziel jeder Arbeit ist die Faulheit*

In puncto Arbeit scheint im Diskurs folgendes Motiv hegemonial: Hauptsache man hat „genug“ davon (was immer das auch bedeuten soll), die Frage nach dem Sinn folgt erst nachgelagert, wenn denn überhaupt. Das ist doch vollkommen irrsinnig. Es ist zweifellos wichtig, dass sinnvolle Arbeit erledigt wird, aber sinnlose als sinnstiftend zu erzählen, das ist nicht gerade pfiffig. Das große Versprechen der Industrialisierung war es doch, uns von noch mehr Arbeit zu befreien und nun fürchten wir uns davor, diese zu verlieren? Das erscheint mir einigermaßen absurd und äußerst unaufgeklärt, um nicht zu sagen reaktionär.

Unsinnig

„Erstens ist diese Idee, die wir spätestens seit der Industriellen Revolution haben, dass jeder Mensch nur ein kleines Rad im großen Weltengetriebe ist und jeden Tag an einem festgelegten Platz eine festgelegte Aufgabe erledigen soll, aus menschlicher Sicht – im wahrsten Sinn des Wortes – unsinnig. Diese Arbeit sollen Maschinen machen. Wir Menschen sind für sowas nicht gut ausgestattet. Deswegen brauchen wir doch überhaupt so etwas wie Qualitätsmangement.“

Chris Boos in „Von Artificial zu Augmented Intelligence

…und selbst, wenn wir dafür gut ausgestattet wären (was wir nicht sind): Als Mensch seine Aufgabe darin zu finden (oder noch schlimmer und viel häufiger: zugewiesen zu bekommen), Maschinen oder Algorithmen zu imitieren, mit ihren exakten, repetitiven Abläufen und Aufgaben, ist gerade nicht, was uns als Humanisten auszeichnet – sondern uns „entmenschlicht“, zu Human Ressources degradiert, die sich mit anderen Ressourcen aber gar nicht in den Wettbewerb begeben müssen sollten, den sie überdies verlieren. Das ist doch zynisch und das war es immer schon. Daran festzuhalten ist es aber umso mehr.

Ziellos

Wer Lohnarbeit als Zentrum seiner Identität begreift, ist zu bemitleiden. Das Ziel jedweder Arbeit ist bekanntlich, und konsequent zu Ende gedacht, die Faulheit. Die eigene Identität dann also irgendwie ziellos.

Die Arbeit geht uns ohnehin nicht aus, keine Sorge. Wir sollten nur weniger, dafür bessere, sinnvollere, zielgerichtetere erledigen. Allerdings handelt es sich dabei häufig um Arbeit am und mit Menschen, deren Wert sich bis dato leider nicht im gebotenen Gehalt ausdrückt. Demgegenüber sind jene Jobs verhältnismäßig gut bezahlt, für die es oftmals keine Menschen mehr bräuchte – oder zumindest viel weniger davon. Das hat meist historische Gründe. Aber auch hier sollten wir uns nicht täuschen: Jene, die jetzt so laut vom Fachkräftemangel tönen, sind – insbesondere im produzierenden Gewerbe – auch die ersten, die ebenjene Menschen in wenigen Jahren ohne mit der Wimper zu zucken wieder weg“rationalisieren“ (was für ein zynischer Ausdruck, btw.), sobald’s die Maschine billiger macht. Aktuell ist die Ressource Mensch einfach noch mit weniger Investitionskosten verbunden (die noch dazu der Staat, also die Gesellschaft, also nicht vorrangig das Unternehmen, in Form der Ausbildung trägt).

Warum also nicht gleich diesen Schritt überspringen und konsequent alles automatisieren, was sich dafür anbietet? Dann wären auch Ressourcen für anderes frei – für jenes nämlich, wofür es wirklich Menschen bedarf. Ob mein Auto nun von einer Maschine zusammengeschraubt wird, ist mir vollkommen egal. Ob meine Oma, und letztlich auch ich einmal, von einer gepflegt wird, wiederum weniger.

Lohnarbeit als Opium fürs Volk?

Es ist also geboten, diese Entwicklung in geänderte Bahnen zu lenken und nicht krampfhaft zu versuchen, getrieben von Logiken des 20. Jahrhunderts in die Rückwärtsverteidigung zu gehen und sich dabei in ideologischen Schützengräben einzugraben.

Ein erheblich pragmatischerer und vom ideologischen Gewäsch befreiter Zugang zum Thema Arbeit würde enorm helfen, bei dem man sich vom Fetisch der Lohnarbeit als politischem und gesellschaftlichem Allheilmittel und Selbstzweck gleichermaßen verabschiedet und man sich stattdessen den eigentlich notwendigen Zielen (oder: dem eigentlichen Zweck) widmet. Wenn diese(r) mit Maschinen, KI oder was auch immer einfacher, verlässlicher, schneller und letztlich auch auf humanerem Wege zu erreichen sind, so be it. Das ist doch Fortschritt!

Und uns bleibt mehr Zeit für jenes, was uns letztlich wirklich zu Menschen macht.*

Vermutlich bedeutet das wohl, dass auch nicht mehr 100 Prozent der persönlichen Mittel aus Lohneinkünften kommen können. Aber müssen sie das? Bei den Privilegierten tun sie das ohnehin längst nicht mehr, aber daran nimmt man vielleicht noch zu wenig Anstoß… Es gab Zeiten, da entwickelte sich das Lohnniveau parallel zur Produktivität – wäre dem noch so, wären viele von uns heute ziemlich wohlhabend. Durch die Entkopplung sind’s halt wenige, die dafür in exorbitantem Ausmaß. Bei für sie recht geringer Steuerquote.

Natürlich müsste man dafür noch viele Antworten finden und im Gegensatz zu den Schlaumeiern in Polit-Talkshows oder auf Twitter habe ich die nicht spontan in petto. Mir scheint zuerst auch viel wichtiger, das eigentliche Problem erkennen zu wollen, bevor man sich um die Behebung dessen kümmert. „Arbeitsplätze sichern“, ohne deren Qualität und Sinnhaftigkeit zu fragen, kann ich nur als Bullshit einordnen. Aber in einer Vier- oder Fünfjahres-Periode bleibt halt häufig nur Zeit für Aktionismus, pseudo-objektiver Kennzahlen und More-of-the-same. In einer 60 Minütigen TV-Show oft nur für Populismus. Damit kriegen wir das Runder halt leider nicht rumgerissen.

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